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Türkischer Wirtschaftsprofessor im Interview: „In der Türkei lachen sie über Deutschland“
Hasan Alkas ist Professor für Mikroökonomie mit dem Schwerpunkt internationale Märkte an der Hochschule Rhein-Waal. Mehrere Mehrere Jahre war er Berater des Ministers für Verkehr und Kommunikation in der Türkei und arbeitete bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Er liebt Deutschland zwar, ist aber auch schonungslos beim Aufzeigen deutscher Schwächen.
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Die Deutschen haben Kriegsangst, fühlen sich von der Rezession gebeutelt und befürchten, dass es in ihren Wohnungen im Winter kalt bleibt. Was denken Sie als türkischstämmiger Wirtschaftsprofessor über Deutschland?
Hasan Alkas: Die Türken schmunzeln derzeit über Deutschland, und das tut mir persönlich, der ich hier lebe, weh. Deutschland wurde von der Türkei an sich immer bewundert als Industrieland, als Autoland, als Maschinenland. Deutsche Straßen waren immer ein Symbolbild für ein prosperierendes Deutschland. Jetzt gibt es auch bessere Straßen in der Türkei, das hat die Bewunderung relativiert.
Gerade keine Zeit?
Wie kommen unsere Anstrengungen zu einer Energiewende in der Türkei an?
Alkas: In der Türkei glaubt keiner, dass Deutschland mit Wind und Solar über die Runden kommen wird. Das ist doch Zufallsstrom, der ist mal da und mal nicht. Da kann man sich nicht drauf verlassen. Das kann niemand in der Türkei verstehen. Warum machen die Deutschen das, fragen die sich.
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Weil wir von fossilen und atomaren Energieträgern loskommen wollen . . .
Alkas: . . . ja, aber sie zerstören ihre Industrie. Das gleiche passiert mit den Autos, die Deutschen haben so eine erfolgreiche und tolle Autoindustrie. Warum reden die das kaputt? Warum schlachten sie ihre eigene Gewinnmaschine? Wenn sie weniger Öl verbrauchen, geht ja nicht weltweit der CO2-Ausstoß zurück, sondern andere Länder kaufen mehr. Ich bin deutscher Autofan. Mein Diesel verbraucht sechs Liter, ein BMW. Warum soll diese Technik jetzt verschwinden?
In der Türkei wundern sich meine Kollegen, warum die Deutschen vieles wie die Energiewende ganz langfristig durchdenken, aber das Naheliegende nicht gemacht wird, etwa die Atomkraftwerke alle wieder ans Netz zu bringen. In der Türkei wird gerade ein neuer Meiler gebaut. Mit Hilfe Russlands. Die Kraftwerke abzustellen, begreift keiner, wo Deutschland doch so gute Ingenieure hat. Wieso kann Deutschland glauben, dass es ohne Atomkraft geht? Alles, was einmal weg ist, ist weg. Die Deindustrialisierung schreitet voran.
Immerhin: Das Bürgergeld soll kommen. Eine gute Sache?
Alkas: Die Deutschen kriegen ihre Leute nicht mehr zum Arbeiten, wenn sie ihnen so viel für nichts zahlen. Die Deutschen werden verzogen. Da schütteln viele Türken den Kopf.
Und diese Kritik Ihrer Landsleute trifft Sie?
Alkas: Mich verletzt das, weil ich das alles hier verteidige. Ich bin hier groß geworden, da bin ich automatisch in der Verteidigerrolle. Aber es ist schwer. Die Deutschen glauben oft, sie seien die besten. Etwa beim Klimawandel. Da wollen sie vorangehen und andere mitreißen. Sie tun etwas, damit andere ihnen folgen. Und da haben Türken so ihre Zweifel.
Aber wir haben doch sogar türkischstämmige Politiker in Deutschland, die so denken. Cem Özdemir zum Beispiel.
Alkas: Cem Özdemir ist aus türkischer Sicht ein Politiker, der sich außerhalb der Politik nirgends bewährt hat. Das kommt gar nicht gut an in der Türkei. Das ist eher „Jugend forscht“. Wir Türken wollen ein starkes und erfolgreiches Deutschland, weil wir davon profitieren. Wir sehen ein schwaches Deutschland und machen uns daher Sorgen. Das hat Folgen. Deutschland stand immer für Gründlichkeit, Verlässlichkeit, Fleiß – alles Werte, die dabei sind, verloren zu gehen. Türken sehen in Deutschland langfristig nicht mehr ihre Zukunft. Das ist traurig, das macht mir noch mehr Sorgen, als die Menschen, die in der Türkei über Deutschland lachen. Denn es ist eine schleichende Bindungserosion.
Wie ist das türkische Verhältnis zu Russland?
Alkas: In der Türkei spielt bei solchen Fragen immer der erste Mann die bestimmende Rolle. Also Erdogan. Der erste Mann an der Spitze hat in der Türkei deutlich mehr zu sagen, als in Deutschland. Und Erdogan versucht mit Russland und der Ukraine klarzukommen. Günstige Energie, günstiges Getreide sind beides wichtig für die Türkei. Also sind Russen unverändert willkommen.
Wäre Erdogan ein guter Vermittler für einen Frieden?
Alkas: Ich glaube, Erdogan ist ein guter Vermittler. Das kann er, er hat gute politische Instinkte, da kann man ansonsten von ihm halten, was man will.
I n Köln darf künftig der Muezzin zum Gebet rufen. Wie finden Sie das?
Alkas: Die Deutschen haben oft so einen vorauseilenden Gehorsam. Da werden türkische Eltern in deutschen Kindergärten gefragt, ob der Sohn oder die Tochter an der Weihnachtsfeier teilnehmen darf und meinen damit etwas Richtiges zu tun. Tatsächlich aber ist das eine Art Gesinnungspolitik. Die Deutschen stecken in einer Verblendungsblase. In der Blase muss man bestimmte Sachen gut finden und andere schlecht. Während Corona wurde das sichtbar, als Ungeimpfte ausgegrenzt wurden. Das hat vielen Türken in Deutschland Angst gemacht.
Was raten sie den Deutschen?
Alkas: Die Deutschen brauchen einen Reset: Die alten Tugenden, der Optimismus muss zurückkehren. Sie sollten endlich zur alten Stärke finden. Ich habe dem Land viel zu verdanken, aber seit Corona hat sich viel verändert. Was seither passiert ist, ist nicht positiv. Viele Menschen haben der Gesellschaft den Rücken zugedreht.
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Der Beitrag "„In der Türkei lachen sie über Deutschland“" stammt von WirtschaftsKurier.
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Author: Timothy Roberts
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